In einem Interview für den Branchennewsletter „Einkäufer im Markt” erklärt Dr. Thorsten Dörr, Partner der internationalen Personalberatung Boyden Interim Management, dass sich das Supply Chain Management spätestens seit der Corona-Krise der Aufmerksamkeit in den Chefetagen sicher sein kann – und welche Rolle Interim Manager bei der Suche nach neuen Lieferanten spielen.
Erschienen in: MBI Einkäufer im Markt (E-Paper) www.mbi-infosource.de 15.06.2021
„Lieferketten im Blick behalten? Wozu? Darum kümmert sich der Ein-kauf.“ So haben nicht wenige Unter-nehmenslenker gedacht. Bis das Virus aus China kam. Seitdem kann sich das Supply Chain Management, wie es im schönsten Managerdeutsch heißt, der Aufmerksamkeit in den Chefetagen sicher sein. „Supply Chain Manager sind während der Corona-Pandemie zu echten Krisenmanagern geworden. Sie sichern die Lieferfähigkeit, haben das Working Capital im Blick und stärken so die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Deshalb bekom-men sie jetzt auch die Aufmerksam-keit des Top-Managements, was frü-her so nicht der Fall war“, stellt Thorsen Dörr fest.
Dörr arbeitet für die Personalberatung Boyden Interims Management in Düsseldorf und leitet dort die Praxisgruppe Einkauf und Supply Chain Management. Seine Aufgabe ist es, geeignete Kandidaten für Führungspositionen in Unternehmen auf Zeit zu finden. Solche Interimsmanager sind höchstens ein Jahr im Betrieb, sagt der Betriebswirt, der den Doktortitel an der WHU - Otto Beisheim School of Management erworben hat. Seine Branchenschwerpunkte sind Automobil, Bahntechnik, Elektrotechnik, Maschinen- und Anlagenbau, Stahl und Metall, Bauzulieferer sowie Lebensmittel.
Die Corona-Pandemie habe die Schwächen in den Lieferketten der Unternehmen schonungslos offen gelegt, beobachtet Dörr: „Das ist nicht nur die fehlende Abstimmung, oft fehlt es auch an den benötigten Qualifikationen für diese außergewöhnliche Zeit. Die Unternehmen reagieren darauf unter anderem mit einer höheren Nachfrage nach erfahrenen Interimsmanagern: Seit Ausbruch der Pandemie haben wir ein Drittel mehr Interimsmanager im Supply Chain Management vermittelt.“
Die Firmen würden nicht alle Möglichkeiten ausschöpfen. Zum Beispiel die gezielte Suche nach neuen Lieferanten: „Früher war das nicht nötig, man hatte langjährige Lieferbeziehungen und kannte sich. Jetzt heißt es, aktiv zu werden und neue Beschaffungsregionen zu erschließen. Damit tun sich viele noch schwer. Man hat keine Verbindungen dahin, Sprache und Kultur sind fremd, Ansprechpartner fehlen.“ Hier könne ein erfahrener Interimsmanager wertvolle Impulse geben.
Für Supply Chain Manager sieht Dörr vor allem zwei Aufgaben: Sie sollten die Digitalisierung vorantreiben und globale Lieferketten diversifizieren. Die starke Abhängigkeit von China sieht er kritisch. Alternativen gäbe es in Asien selbst (Vietnam, Thailand), aber auch in Osteuropa. Hier konstatiert Dörr eine steigende Nachfrage nach Lieferanten aus Serbien.
„Interimsmanager sind Teil der Organisation“
Dem Klischee, dass Führungskräfte auf Zeit geholt würden, um in den Betrieben „aufzuräumen“, widerspricht Dörr energisch. Die Erfahrungen seiner Kunden seien „absolut gut“. Interimsmanager hätten schon aus Reputationsgründen ein Interesse daran, konstruktiv zu wirken. Sie leiteten in der Regel ein Projekt und müssten dieses zu einem erfolgreichen Abschluss bringen. Aus diesem Grund entwickele er seine Mitarbeiter, die nach seinem Weggang im Unternehmen bleiben, auch weiter. „Der Interimsmanager führt Mitarbeiter, arbeitet operativ, verhandelt selbst. Er ist Teil der Organisation“, unterstreicht Dörr.