Immer öfter scheint HR die richtige Wahl für die Umsetzung einer Nachhaltigkeitstransformation zu sein, sagt Robert Winterhalter, Managing Partner bei Boyden Executive Search. Dies wird den Gestaltungsfreiraum der CHRO-Rolle deutlich erhöhen.
Ursprünglich erschienen in HR JOURNAL
Die Nachhaltigkeitstransformation wird für Unternehmen eine tiefe und bereichsübergreifende Herausforderung. Sie wirkt sich gravierend auf die Kultur und Aufgaben der jeweiligen Organisationseinheiten aus. Im Gegensatz zur eher nur disruptiv gearteten Umgestaltung von Geschäftsprozessen durch die Digitalisierung bedarf es hier umfassenderer Fähigkeiten. Immer öfter scheinen auch HR-Verantwortliche eine richtige Wahl für die Umsetzung eines solchen Transformationsvorhabens zu sein und rücken neben einer Besetzung dieser Position durch einen Chief Sustainability Officers (CSO) entsprechend hierfür in das Zentrum des Interesses vieler Unternehmensführungen – und nicht zuletzt auch der Personalberater.
Die aktive Beteiligung und Einbindung der HR-Führung in die Transformationsvorhaben haben einen fördernden Einfluss auf deren künftigen Gestaltungsfreiraum, ihrer verstärkten Beteiligung an wichtigen unternehmerischen Entscheidungen, der Gestaltung von Nachfolgeplänen und der Auswahl der kommenden Top-Führungskräfte. Kein Wunder also, dass die Erweiterung der CHRO-Rolle einerseits deren Gestaltungsraum und Zugang zu Unternehmensressourcen erweitert sowie andererseits den Wert und Gesellschaftsbeitrag des Unternehmens durch das Aktionsfeld Nachhaltigkeit steigern kann.
Nachhaltigkeit (Sustainability) durch Umweltschutz (Environmental), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance) – kurz: ESG – ist dabei nicht deckungsgleich zur Corporate Social Responsibility (CSR). Vereinfacht beschrieben ergänzt CSR ESG als Unternehmenszielbündel, indem noch mehr unternehmerische Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gelebt wird. Während vor einigen Jahren hier die Betrachtungsschwerpunkte eher auf Compliance, Risk & Audit, Employer Branding, Health & Safety etc. lagen, hat sich das im Sinne von ESG grundlegend auf den gesamten ESG-Kriterienkatalog erweitert.
Einige Indikatoren für die anstehenden Veränderungen und Möglichkeiten sind leicht zu greifen. Größere internationale börsennotierte Unternehmen benennen im Zuge ihrer Nachhaltigkeits-Practice immer öfter ihren CHRO zum Sustainability-Verantwortlichen, quasi in Funktion eines Chief Sustainability Officers (CSO). Der Titel des CHROs ändert sich dann üblicherweise in People, Culture and Sustainability.
Die Kernaufgabenfelder eines solchen „Nachhaltigkeitsbeauftragten“ und Projektreibers decken die gesamten Wertschöpfungsketten eines Unternehmens ab, auch wenn diese in jeweils anderer Führungsverantwortung liegen. Frühere Denkansätze in der Rekrutierung von Nachhaltigkeitsbeauftragten, diese als „Natives“ aus Bildungs- und Forschungseinrichtungen zu gewinnen, greifen nicht ausreichend und haben sich überlebt. Zur Qualifikation von Nachhaltigkeitsbeauftragten gehört heute vielmehr, sich sowohl einen ganzheitlichen Blick über das Unternehmen schaffen zu können als auch die Ziele pragmatisch umsetzen zu können.
Grundlegende Voraussetzungen, vergleichbare Arbeitsinhalte und kongruente Denkstrukturen wären insbesondere qua ihrer sonstigen Funktion bei den CHROs bereits gegeben, da diese in allen Geschäftsbereichen schon involviert und für in diesen Organisationseinheiten arbeitenden Personen geübter Ansprechpartner sind. HR-Verantwortliche haben oft auch diese Anlagen zu lösungsstarken, transparenten und integrierenden, kommunikativen und kommunikationsstarken, resilienten, agilen und intrinsisch motivierten Führungsfiguren wie „ideale CSOs“ zu werden.
Es gilt, kreativ und mit neuen, praktikablen Ideen zu arbeiten, in den Köpfen der Beschäftigten neue „Sehnsüchte“ zu wecken und sie für die Mission „Nachhaltigkeit“ zu begeistern. Basierend auf neuen Erkenntnissen – insbesondere auch außerhalb des eigenen Unternehmens – sind die Rekrutierungsanforderungen an neue Mitarbeitende permanent fortzuschreiben, um entsprechende Talente auch anzulocken, evaluieren, überzeugen und gewinnen zu können.
Schlussendlich müssen auch Stakeholder und Kunden von den Nachhaltigkeitszielen und deren Umsetzung überzeugt sein. Genau in diesem Spannungsfeld bewegen sich sowohl ein CHRO als auch funktional ein CSO, wodurch der Schritt von Personal- zur zusätzlichen Nachhaltigkeitsverantwortung für die richtige Person nur ein „kleiner“ ist.
Die Integration von Nachhaltigkeitszielen in die Incentives der Führungskräfte waren und sind operativ schon ein wichtiger erster Aktionsschritt. Zur weiteren Beschleunigung der Transformationsprozesse greifen Unternehmen derzeit auch gerne auf schnell verfügbare Interim-Manager zurück, die entsprechend den aktuellen Aufgabenzeitfenstern sowie dem unternehmenseigenen Entwicklungsbogen eingesetzt werden.
Dieser Menschenschlag sind oft bereits erfahrene Change Manager, die sich sehr schnell auf unterschiedlichste Rahmenstellungen einfinden können. Gerade Felder wie Einkauf und Supply Chain scheinen derzeit besonders geeignete Bereiche, um diese in kurzer Zeit mit Interim-Mandaten neu auf die Zielvorgabe „Nachhaltigkeit“ auszurichten.
Die gleichen Tools, die HR dabei unterstützen, unternehmensweite Initiativen einzuleiten, Teams zusammenzustellen, Workshops zu organisieren und die Fähigkeiten einzelner Mitarbeitender potenzialorientiert zu bewerten, können auch zur Implementierung von Nachhaltigkeitszielen und deren Umsetzung Anwendung finden. Bei der zielgerichteten Auswahl und Förderung von internen und externen Talenten werden gerade unter dem gemeinsamen Dach der Nachhaltigkeit die Fähigkeiten zur abteilungs- und bereichsübergreifenden Zusammenarbeit immer wichtiger.
Orthodoxe Formen des Auswahlverfahrens und des Talent Developments selbst mit sehr aufwändigen Einzel-Assessments stoßen hier systembedingt an ihre Grenzen. Es gilt, bei den Mitarbeitern jene Fähigkeiten zu finden und zu fördern, die in abteilungs- und bereichsübergreifenden Aufgaben helfen, die gesamte Organisation schneller und besser zu transformieren. Die Komposition von bereichsübergreifenden (High Performance) Work-Teams zur Erreichung der herausfordernden Nachhaltigkeitsziele wird eine schon geübte Kernaufgabe.
Der gesellschaftliche Rahmen zeigt aktuell eindeutig, dass ein dynamisch wachsender Bedarf an unternehmerisch-nachhaltigem Handeln besteht. Kongruent hierzu entwickeln sich nicht nur die Aufgaben, sondern gerade auch die Handlungsmöglichkeiten für HR dynamisch weiter. Rückblickend haben die Aufgabenbereiche rund um Covid, der Umgang mit Health & Safety und selbst die notwendige Digitalisierung die HR-Führung oft nur für ein beschränktes Zeitfenster in das Zentrum des Entscheidungszirkels des Boards gebracht.
Der anstehende Transformationsprozess zur Nachhaltigkeit bietet nun erneut ungeahnte Möglichkeiten, den Beitrag und die Bedeutung von HR zukunftssicher und nachhaltig in der obersten Führungsebene zu verankern. HR-Manager mit Ambitionen sollten diese Chancen besser heute als morgen nutzen. Und Unternehmen, die auf der Suche nach einem CSO sind, tun gut daran, hier auch und gerade die HR-Führungskräfte in Betracht zu ziehen. Vielleicht ja sogar die eigenen.