Fachkräftemangel und hoher Wechselwille in der Wirtschaft sorgen für einen Boom der Personalberatung. Das Handelsblatt Research Institute hat die Top-Dienstleister ermittelt.

By Andrew Schulte, Handelsblatt

Eine Studie, die ursprünglich auf handlesblatt.com erschien 

Das Handelsblatt Research Institute hat die besten Personalberater 2022 ermittelt. Dabei konnte Boyden auf der Hierarchieebene der Directors punkten und eine Top-Platzierung erzielen.

Das Handelsblatt Research Institute betrachtete in Zusammenarbeit mit zwei etablierten Analyseunternehmen kleine und mittelständische sowie internationale Personalberatungsgesellschaften. Dabei ergab sich eine beachtliche Peergroup von mehr als 15.500 Mitarbeitern aus rund 2.800 Personalberatungsfirmen. Sie konnten die renommiertesten Personalberatungsunternehmen nennen und eine Empfehlung für Branchen, Funktionen, Ebenen und Gehaltsstufen aussprechen.

Zusätzlich wurden rund 25.000 Führungskräfte und Personalverantwortliche nach ihren Erfahrungen mit Personalberatungsunternehmen befragt. Die gewichteten Stimmen der Peergroup und der Entscheider bilden die Basis für die Auswahl der 40 Top-Personalberatungsunternehmen 2022.


 

Köln Der jüngste Blogbeitrag der Personalberatung Russell Reynolds Associates gleicht einem Weckruf. Beraterin Hoda Tahoun beschreibt die hohe Bedeutung des Wohlfühlfaktors in Firmen – mit Blick auf den Global Leadership Monitor aus eigenem Haus. Von den Führungskräften, die weltweit 2021 ihren Job verließen, gaben 20 Prozent als Grund an, dass sie mehr Wert auf ihre körperliche und geistige Gesundheit legen wollten, schreibt Tahoun – bei den CEOs nannten dies gar 37 Prozent als Grund.

„The New Wellness at Work“ überschreibt Tahoun ihren Appell, sich für Arbeitsplatz-Zufriedenheit auf allen Ebenen ins Zeug zu legen. Sie empfiehlt Personalern diesen Gedanken: „Dein Mitarbeiter ist dein erster Kunde.“ Der Kampf um Fach- und Führungskräfte sorgt für einen neuen Kuschelkurs – und das weltweit. Denn der Markt ist leer gefegt.

Hochqualifizierte haben meist mehrere Jobangebote auf dem Tisch. Firmen sollten folglich ihr Personal gut umsorgen und Wechselgedanken früh zerstreuen. Laut Personalberatung Hays stieg vom ersten Quartal 2020 bis zum ersten Quartal 2022 in Deutschland die Zahl der Stellenausschreibungen um 125 Prozentpunkte. Unternehmen sollten ihre Personalabteilungen ausbauen, folgert Hays. Und auch Personalberatungen bekommen in dieser Marktlage immer mehr zu tun.

Doch welche Personalberatung ist empfehlenswert, wenn es darum geht, Posten bis hin zum Geschäftsführer und Vorstand zu besetzen? Fragen wie dieser ist das Handelsblatt Research Institute (HRI) in einer Studie nachgegangen. Es ermittelte dabei auch die drängendsten Themenfelder der Branche: Digitalisierung, agile Arbeit, Nachhaltigkeit und Diversity (siehe letzte Grafik).

Die besten Personalberatungen 2022

Mehrere Tausend Branchenteilnehmer gaben Auskunft, welche Personalberatung sie für Vermittlungen auf verschiedenen Hierarchiestufen empfehlen können. Zusätzlich wurden Führungskräfte und Personalverantwortliche in Unternehmen befragt. So entstand eine Liste mit den 40 Top-Personalberatungen.

Über alle Hierarchieebenen der vermittelten Arbeitskräfte hinweg erhielt die Personalberatung Kienbaum viel Lob. Die Besetzung von Positionen im Top-Management mache nur etwa 40 Prozent des Geschäfts der Kienbaum Gruppe aus, sagt Jörg Alexander Breiski, Managing Director & Partner Executive Search. Weitere Geschäftsfelder seien die Entwicklung von Führungskräften und die Vergütungsberatung. „Wir haben ein deutlich breiteres Portfolio als andere Personalberatungen“, sagt Breiski.

Bei der Vermittlung von Führungskräften sieht Breiski nicht die fachlichen Fähigkeiten der Kandidaten als den Engpass. „Die Herausforderungen liegen in einem modernen Verständnis von Führung und Kommunikation und der Art und Weise, wie man Transformation in Organisationen erfolgreich gestaltet.“ Es gehe um stetige Lernbereitschaft, Weitsicht und Kommunikationsfähigkeit. „Erfolgreiche Führung verbindet sich eng mit der Frage nach der passenden Persönlichkeit“, sagt Breiski.

Kienbaum: „Viele Entscheider verlässt der Mut“

Kienbaum konfrontiere Kunden konsequent und hartnäckig mit Kandidaten, die für Diversity stehen. Nach Breiskis Beobachtung sei sich das Management zu Beginn einer Suche mit den Personalberatern noch einig.

Man wolle eine moderne Führungskraft, die frischen Wind und Innovationspotenzial mitbringe. Doch je länger der Prozess dauere, desto mehr verlasse Entscheider der Mut. Sie verfielen in alte Muster und bevorzugten klassische Kandidaten mit Berufs- und Branchenerfahrung. „Damit entsteht wenig Raum für neue Ideen, für wertvolle Impulse zur Veränderung, für andere Denk- und Arbeitsweisen und für kulturellen Wandel“, sagt Breiski. „Dann müssen wir unsere Kunden immer wieder daran erinnern, was wir eingangs vereinbart hatten.“

Die Personalberatung Kienbaum kommt der Forderung nach mehr Vielfalt auch mit dem sogenannten Female Desk nach. Diese Abteilung ist auf die Beratung und die Vermittlung von Frauen in Führungspositionen spezialisiert. Experten widmen sich dort etwa Themen wie gendergerechter Führung oder Gleichheit bei der Bezahlung. Geht es um Personalvermittlung, strebe Kienbaum einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent auf Vorschlagslisten an. Wie viele der vorgeschlagenen Frauen schlussendlich in der angestrebten Position landen, hat Kienbaum nach eigener Aussage noch nicht ermittelt.

Klar ist: Die wenigen Fach- und Führungskräfte stehen neuen Arbeitgebern immer aufgeschlossener gegenüber. Dies zeigt eine repräsentative Befragung des Beratungsunternehmens Gallup aus dem April. Laut Gallup ist derzeit jeder vierte Beschäftigte wechselwillig – so viele wie nie zuvor. Hauptgrund ist laut Befragung die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Führung. Die Zahl der Beschäftigten, die im Jahr 2021 von Personalberatern angesprochen wurden, hat sich laut Studie seit Pandemiebeginn verdoppelt. Jeder oder jede Dritte bekam demnach im vergangenen Jahr eine oder mehrere solcher Anfragen.

Personalberatung Hays: Agiles Arbeiten bereitet Probleme

Auf welche Weise Unternehmen reizvoll für Kandidaten werden können, weiß Carlos Frischmuth, Managing Director bei Hays. Die Personalberatung liegt im HRI-Ranking bei der Vermittlung von Experten vorne. „Diversity, Nachhaltigkeit und agile Arbeitsformen sind hinsichtlich der Rekrutierung von Fachkräften sowie der langfristigen Bindung von Mitarbeitenden ausschlaggebende Stellschrauben“, sagt Frischmuth.

Doch beim agilen Arbeiten hätten viele Unternehmen noch Probleme, sich auf die neuen Bedürfnisse der Kandidaten einzustellen. Zwar habe die flächendeckende Einführung von Homeoffice die Präsenzkultur abgelöst, sagt Frischmuth. „Ein wirklicher Wandel hin zu mehr Flexibilität und eigenverantwortlichem Arbeiten ist aber für die Mehrheit der Mitarbeiter nicht zu erkennen.“

Der Personalberater stützt seine Aussage auf eine Erhebung seines Hauses unter mehr als tausend Führungskräften aus dem vergangenen Jahr. 71 Prozent räumten Schwierigkeiten ein, Macht und Verantwortung abzugeben. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten empfanden auch den Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten als Herausforderung.

„Die agile Arbeitswelt konfrontiert viele Entscheider mit neuen Denk- und Handlungsmustern , die ihrer erlernten Praxis teilweise entgegenstehen“, begründet Frischmuth die Skepsis. „Intellektuell wissen viele zwar längst, wie wichtig es für ihre Kultur und das Selbstverständnis der Mitarbeitenden jetzt ist, mehr Verantwortung abzugeben. Dennoch scheuen sie den gestalterischen Kraftakt.“

Um sich dennoch attraktiv aufzustellen, empfiehlt Frischmuth Unternehmen eine Strategie der kleinen Schritte und des Ausprobierens. „Sie können Experimente mit Formen des agilen Arbeitens starten, die überschaubar genug sind, um sie im Team immer wieder zu reflektieren“, sagt der Hays-Experte.

Personalberatung Egon Zehnder setzt auf Nachhaltigkeit

Die Personalberatung Egon Zehnder ist vor allem für die Besetzung von Stellen auf Geschäftsführer-Ebene bekannt – und sie hat in diesem Segment im Ranking die Nase vorn. Die in der Untersuchung ermittelten Top-Themen gelten auch für die höchste Unternehmensebene. „Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Diversity treiben CEOs und Aufsichtsräte um – diese Themen sind durch die Pandemie und die Ukraine-Krise noch relevanter geworden“, sagt Hanns Goeldel, Deutschlandchef von Egon Zehnder.

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